Nach Leak: Das sagen Top-Entscheider zu Lauterbachs Cannabis-Plänen
Gestern wurden Informationen aus dem geplanten Gesetz für die Cannabislegalisierung öffentlich. t3n hat drei CEO aus der deutschen Cannabis-Branche um ihre Einschätzung gebeten.
Autorin: Insa Schniedermeier
Am gestrigen Mittwoch wurden Details des von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplanten Eckpunkteplans für die anstehende Cannabislegalisierung öffentlich – man könnte auch sagen: geleakt. Das Papier soll sich derzeit noch in der Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien befinden. Es ist daher bislang weder Gesetz noch erhebt es den Anspruch auf Vollständigkeit.
„Die gute Nachricht ist: Die Legalisierung kommt näher und die Bundesregierung ist auf dem Weg, das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten“, sagt Lars Möhring, CEO und Co-Founder des Cannabis-Startups Enua. Insbesondere zur Bekämpfung des Schwarzmarktes sei es wichtig, Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel zu klassifizieren und online verfügbar zu machen.
„Wichtig ist bei allen Punkten, dass sie klar und deutlich sind und keinen Interpretationsspielraum lassen“, ergänzt Lars Müller, CEO von Synbiotic. „Um die von der Bundesregierung geplante Legalisierung schnell und unkompliziert umzusetzen, braucht es vor allem Rechtssicherheit und einen für alle Akteure klar abgesteckten Rahmen.“
Die wichtigsten Punkte des geleakten Eckpunkteplans zur Cannabislegalisierung
Im Folgenden findet sich eine Übersicht der wichtigsten Punkte des geleakten Eckpunkteplans der Cannabislegalisierung:
- In Deutschland soll künftig der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis ab dem Alter von 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein.
- Dabei soll die Menge des berauschenden Wirkstoffs THC im legalisierten Cannabis maximal 15 Prozent betragen.
- Der Eigenanbau von bis zu zwei Cannabispflanzen soll erlaubt werden.
- Um „cannabisbedingte Gehirnschädigungen“ zu verhindern, sollen junge Erwachsene zwischen und 18 und 21 Jahren nur Cannabis mit einem maximalen THC-Gehalt von zehn Prozent kaufen dürfen.
- Trotz der Legalisierung soll für Cannabisprodukte ein generelles Werbeverbot gelten.
- Der Verkauf soll in lizenzierten Geschäften sowie in Apotheken erfolgen.
- Es soll eine „Cannabissteuer“ geben, die sich nach dem THC-Gehalt richtet. Im Jahr 2021 schätzte der Medizin-Professor und FDP-Politiker Andrew Ullmann die Steuereinnahmen durch Cannabis auf circa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.
Was bedeutet das Eckpunktepapier für die deutsche Startup-Szene? Lars Müller, CEO von Synbiotic, Lars Möhring, Co-Founder und CEO von Enua, und Finn Hänsel, Co-Founder und Managing Director der Sanity Group, liefern Antworten.
Interview
t3n: Wie zufrieden sind Sie mit dem geleakten Eckpunktepapier von Karl Lauterbach zur Cannabislegalisierung – wenn es denn so kommt?
Lars Müller (Synbiotic): “Insgesamt gehen die jetzt bekannt gewordenen Informationen größtenteils in die Richtung, die wir uns erhofft haben. Damit meine ich vor allem die neben Apotheken vorgesehenen lizenzierten Abgabestellen und insbesondere auch die heimische Produktion von Cannabis als logische Konsequenz aus dem Importverbot. Lediglich was die THC-Obergrenzen, maximalen Mengen und die Produktvielfalt angeht, würde ich mir mehr Freiheiten beziehungsweise Anpassungen nach oben wünschen, da sonst davon auszugehen ist, dass der Schwarzmarkt sich genau auf dieses Angebot konzentriert und weiter floriert.”
Lars Möhring (enua): “In diesem Punkt ist das Eckpunktepapier völlig praxisfern. Eine THC-Obergrenze von 15 Prozent schließt die Mehrheit der Nutzer:innen völlig aus. Aus Erfahrungen in unserer täglichen Arbeit mit anderen Märkten wie den Vereinigten Staaten von Amerika oder Kanada sehen wir, dass vor allem Produkte ab einem THC-Gehalt von 20 Prozent sehr gefragt sind und die Gefahr besteht, dass Konsument:innen höhere Prozentwerte auf dem Schwarzmarkt suchen.”
t3n: Wie geht es jetzt weiter?
Finn Hänsel (Sanity Group): Es ist davon auszugehen, dass noch so einige Anpassungen am Papier vorgenommen werden, die aus unserer Sicht auch notwendig sind, zum Beispiel bei der bereits angesprochenen THC-Obergrenze. Sobald eine final abgestimmte Fassung des Eckpunktepapiers vorliegt, werden auch wir uns dazu positionieren. Was ich bereits jetzt sagen kann: Wir planen auf jeden Fall mit eigenen Stores in Deutschland. Möglich sind zwischen 10 und 100 Stores. Wie unsere Verkaufsstellen genau aussehen werden, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht konkret beantworten.
Lars Müller (Synbiotic): Auch wir bereiten uns seit der Bekanntmachung des Koalitionsvertrags auf die geplante Legalisierung vor und haben seitdem massive Fortschritte erzielt. Unsere Pläne für unsere jeweiligen Geschäftsbereiche sind ausgearbeitet und liegen in der Schublade. Sobald die finale Version des Gesetzes verabschiedet ist, geht es an die schnelle Umsetzung.
t3n: Herr Müller, Sie haben im April ihr Joint Venture mit der Enchilada Gruppe bekannt gegeben. Wann und wo sollen die ersten Stores aufmachen? Wie werden die aussehen?
Lars Müller (Synbiotic): Wir arbeiten fleißig an der finalen Ausarbeitung des Storekonzepts und wollen unseren zukünftigen Kund:innen damit ein einmaliges Einkaufserlebnis bieten. Unsere Marke steht bereits und vielleicht gibt es hierzu auch im laufenden Jahr schon die ersten Updates. Je nachdem wie schnell sich die Legalisierung entwickelt und wir wissen, wann wir loslegen können, werden die ersten Stores zeitnah ihre Türen öffnen. Wir planen aktuell auch Pop-up-Stores, um bereits erste Einblicke unserer Vision mit unseren Kund:innen zu teilen.
t3n: Die Cannabis-Produktion soll laut der geleakten Informationen ausschließlich in Deutschland stattfinden. Wie finden Sie das?
Lars Möhring (Enua): Wir verstehen die Beschränkung auf in Deutschland angebautes Cannabis nicht – wenn sie denn so kommt. Im Moment baut Deutschland lediglich bis zu vier Tonnen für medizinische Zwecke an. Dadurch wird nicht einmal der jährliche Bedarf für die rund 300.000 Patient:innen annähernd gedeckt. Sobald die Legalisierung umgesetzt wird, gehen wir in der Branche davon aus, dass circa fünf Millionen zusätzliche Nutzer:innen in lizenzierten Fachgeschäften einkaufen werden.
Der Bedarf kann zumindest mittelfristig legal ausschließlich durch Importe bedient werden. Heute werden bereits 90 Prozent des Bedarfs an medizinischem Cannabis importiert. Wir würden aus diesem Grund dafür plädieren, dass die Bundesregierung den Import von Cannabis nach Deutschland – gegebenenfalls im Rahmen eines Pilotprojekts – zumindest übergangsweise gestattet.
Aus unserer Erfahrung und aus den Entwicklungen, die wir bereits heute absehen können, wird Deutschland auf absehbare Zeit Importnation bleiben.
– Lars Möhring, enua
Lars Müller (Synbiotic): Dem Konsumenten wäre nicht viel geholfen, wenn die hohe Nachfrage ähnlich wie im aktuellen Schwarzmarkt durch minderwertige Ware aus dem Ausland gedeckt werden würde. Wir hoffen, dass es langfristig auf ein deutsches Reinheitsgebot für Cannabis hinauslaufen wird, unabhängig davon, ob die Ware nun aus heimischer Produktion stammt oder irgendwann auch aus dem Ausland importiert werden darf.
t3n: Es soll ein Werbeverbot für Cannabis geben. Wie kann das Marketing für Cannabis künftig aussehen?
Lars Müller (Synbiotic): Das ist ein schwieriges Thema. Natürlich wären wir froh, wenn wir unsere guten Produkte auch durch starke Marken nach außen präsentieren können. Allerdings können wir den Hintergedanken eines Werbeverbots gut nachvollziehen und sind optimistisch, dass sich unsere Produkte auch und vor allem wegen ihrer hohen Qualität durchsetzen werden. Am Ende des Tages ist die Qualität unabhängig vom Marketing das Entscheidende und das wissen auch die Konsumenten.